Klinische Studien: So laufen medizinische Studien ab
Neue Arzneimittel und Impfstoffe werden zunächst im Labor und dann an Tieren getestet. Erkenntnisse darüber, ob sie Menschen wirklich helfen und auch verträglich sind, bringen dann Untersuchungen an Teilnehmer:innen im Rahmen klinischer Studien.
Wer bei einer klinischen Studie mitmacht, kann davon ausgehen, regelmäßig und gründlich untersucht zu werden. Aber warum erhalten nicht alle, die mitmachen, auch die neue Substanz? Und inwieweit können wir den Ergebnissen medizinischer Studien vertrauen?
Antworten darauf und weitere spannende Fakten zu klinischen Studien können Sie in unserem Podcast „Charles² – Pharma Insights: Was in klinischen Studien geschieht“ hören.
Eine klinische Studie ist eine experimentelle Prüfung einer Behandlung, wie z.B. die Prüfung eines Medikamentes, die unter definierten Rahmenbedingungen stattfindet. Sie macht einen der wichtigsten Teile der klinischen Forschung aus. In einer klinischen Studie werden Behandlungsverfahren an einer größeren Anzahl von Proband:innen getestet, überprüft und ausgewertet. So erhalten die Forscher:innen eine zuverlässige Datenlage über die Wirksamkeit verschiedener Behandlungen.
In unser Podcast-Folge über klinische Studien sprechen wir mit Dr. Gereon Zöllner, Arzt und Betreuer von ca. 60 Pfizer-Studien in Deutschland, Dr. Carolin Guenzel, Biochemikerin, Virologin und Leiterin medizinischer Projekte in der globalen Organisation und Dr. Daniel Kalanovic, Arzt und medizinischer Leiter bei Pfizer.
D. Kalanovic: „Klinische Studien spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Medikamenten. Einerseits, um den Wirkungsnachweis von Medikamenten zu geben. Es gibt standardisierte Kriterien nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin. Andererseits können medizinische Studien, die in verschiedenen Phasen geführt werden, frühzeitig die besten Medikamente erkennbar machen.“
D. Kalanovic: „In der ersten Phase einer klinischen Studie versucht man an gesunden Proband:innen zu erkennen, wie hoch ein Medikament dosiert werden kann und ab wann mögliche Nebenwirkungen auftreten. Dies wird sehr genau untersucht. In der Phase 2 kommt man der Zielgruppe näher und schaut: wie ist die Wirksamkeit? Und wenn das erfolgreich ist, kommt man in die großen sogenannten Phase-3-Studien, in denen man die eigene Forschung mit dem aktuellen Therapiestandard vergleicht und zeigen kann, ob die neue Entwicklung besser ist als die Dinge, die es bereits auf dem Markt gibt.“
Kontrollierte klinische Studie: Ein berühmtes Beispiel für Phase 3
Dr. Gereon Zöllner ist Arzt und betreut gemeinsam mit mehreren Kolleginnen und Kollegen rund 60 Pfizer-Studien in Deutschland. Er erklärt, wieso ausgerechnet ein Schiffsarzt die kontrollierte klinische Studie erfunden hat.
„Der heutige Goldstandard bei interventionellen Phase-III-Studien ist die sogenannte randomisierte, kontrollierte Studie. Um zu erklären, was eine kontrollierte klinische Studie ist, schauen wir mal zurück ins Jahr 1747. Zu dieser Zeit war James Lind Schiffsarzt bei der Royal Navy. Und damals war Skorbut, eine, wie wir heute wissen, Vitamin-C-Mangelerkrankung, eine der Haupttodesursachen bei Seeleuten. Als nun auch auf Linds Schiff zwölf Matrosen an Skorbut erkrankten, erlaubte ihm der Kapitän, einen Versuch durchzuführen. Lind glaubte, dass es sich bei Skorbut um eine Folge von Fäulnis im Körper handelt, die man mit einer Säure behandeln könnte.
Er war der erste, der diese Vermutung mit einem systematischen Versuch, also mit einer klinischen Prüfung, einer klinischen Studie beweisen wollte. Für diesen Versuch brachte er dann die zwölf erkrankten Matrosen unter den gleichen Bedingungen auf demselben Deck unter. Alle erhielten die gleiche Nahrung, aber jeweils zwei Matrosen erhielten zusätzlich verschiedene säurehaltige Nahrung: Apfelwein, Schwefelsäure und Meerwasser. Eine Gruppe erhielt zwei Orangen und eine Zitrone. Denn da hatte Lind schon den Verdacht, da es schon oft von indischen Seefahrern berichtet worden war, dass Zitrusfrüchte gegen Skorbut helfen könnten. Nach sechs Tagen war bereits einer der sechs Matrose wieder genesen und konnte ganz normalen Dienst tun. Er hatte also den Studienendpunkt erreicht. Der Studienendpunkt wäre hier dann Arbeitsfähigkeit, Dienstfähigkeit. Und auch dem anderen Matrosen ging es schon besser.“
Heutzutage sind Pharma-Studien in der Regel nicht nur kontrolliert, sondern das Verum, also der zu untersuchende Wirkstoff, wird häufig gegen ein Placebo getestet.
G. Zöllner: „Ein Placebo ist ein Scheinmedikament ohne Wirkstoff. Man gibt es in vielen medizinischen Studien einer Kontrollgruppe, um auszuschließen, dass die therapeutische Wirkung auf den sogenannten Placebo-Effekt zurückzuführen ist. Dabei versteht man unter Placebo-Effekt die heilende Wirkung eines Medikamentes, das keinen Wirkstoff enthält. Wie genau das funktioniert, ist noch nicht ausreichend erforscht, aber wichtig dabei ist der Glaube. Der Glaube an die heilende Wirkung dieses Medikamentes kann auch eine Wirkung haben. Auch wenn überhaupt kein Wirkstoff im Placebo ist. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass der Patient nicht weiß, ob er den echten Wirkstoff oder ein Placebo erhält. Deshalb geschieht im Rahmen einer Studie alles verblindet.
Eine Verblindung führt man nicht nur bei Placebo-kontrollierten Studien durch, sondern auch bei Studien mit einer oder auch mehreren Kontrollarmen, in denen dann auch wirksame Medikamente gegeben werden. Damit will man dann den Einfluss eliminieren, den das Wissen um die Behandlung haben könnte. Wenn der Patient oder die Patientin zum Beispiel weiß, dass er ein neues Medikament erhält und er einen Fragebogen zur Lebensqualität ausfüllen soll, dann ist er vielleicht so begeistert von dem neuen Medikament, so hoffnungsvoll, dass er den tendenziell etwas positiver ausfüllt. Und um diese Einflüsse möglichst zu eliminieren, ist es wichtig, dass die Patient:innen nicht wissen, was sie bekommen, also verblindet sind. Auch andere Personen, also die Ärzte, Ärztinnen, die diese Medikamenten-Studie durchführen, sollen unbeeinflusst bleiben. Wenn diese auch nicht wissen, was der Patient oder die Patientin bekommt, und das ist in aller Regel der Fall, dann nennt man das Doppelblindstudie.“
Es gibt jedoch noch mehr zu beachten, damit Studienergebnisse aussagekräftig sind. Wichtig ist auch das zufällige Zuteilen auf eine der Behandlungsgruppen. Der Fachbegriff hierfür lautet Randomisierung.
G. Zöllner: „Dadurch will man erreichen, dass die Gruppen möglichst homogen sind. Wenn die Ärzt:innen und nicht der Zufall bestimmt, wer welcher Gruppe zugeordnet wird, dann besteht die Gefahr einer systematischen Verzerrung. Glaubt der Arzt oder die Ärztin zum Beispiel an das neue Medikament, weil er die Daten aus der Phase II gesehen, dann könnte es passieren, dass er bewusst oder auch unbewusst ältere, kränkere Patient:innen in die Gruppe mit dem neuen Medikament ordnet, weil er ihnen etwas Gutes tun will. Und genau das will man vermeiden. Wir wollen einen fairen Vergleich. Die Gruppe, die das neue Medikament erhält und die Gruppe, die das Standardmedikament erhält, diese sollen etwa gleich zusammengesetzt werden. Und deshalb ist die randomisierte klinische Studie so wichtig.
Randomisiert wird auf verschiedene Studienarme. Ein Studienarm bezeichnet eine Gruppe von Patient:innen, die die gleiche Behandlung erhält. Ein Studienarm sind immer Patient:innen, die das neue Medikament erhalten. Wird das Medikament in zwei Dosierungen gegeben, gibt es schon zwei Studienarme. Und dann gibt es eigentlich auch immer bei kontrollierten klinischen Studien, über die wir jetzt sprechen. Vergleichsarme, bei denen eine oder mehrere Standardbehandlung gegeben werden.“
Die Biochemikerin und Virologin Dr. Carolin Guenzel leitet in der globalen Organisation medizinische Projekte den Bereich Brustkrebs. Sie erläutert, dass die Verteilung der Teilnehmenden auf die Studienarme anhand sogenannter Ein- und Ausschlusskriterien erfolgt.
C. Guenzel: „Ein- und Ausschlusskriterien sind bei der Inkludierung von Patient:innen in eine Studie ganz wichtig. Wenn man sich zum Beispiel die Untersuchung eines Krebsmedikamentes vorstellt, dann ist es wichtig, dass die Patient:innen an diesem spezifischen Krebs-Typ erkrankt sind, um den Wirkstoff zu erforschen. Das ist ein sehr einfaches Einschlusskriterium. Es gibt noch weitere Details, beispielsweise ob der Krebs metastasiert ist oder nicht und auch um die jeweiligen Blutwerte. Es ist generell das Ziel, die Studienpopulation so homogen wie möglich zu halten. Dies ist aber nur bis zu einem gewissen Level erwünscht. Es ist wichtig, dass Patient:innen aus verschiedenen Teilen der Erde einschließen. Es ist wichtig, dass man diese Heterogenität gewährleistet. Es gibt für die physiologische Funktion und die physiologischen Charakteristika explizite Ein- und Ausschlusskriterien.“
Das Einschließen in eine klinische Studie geschieht an Studienzentren. Solche Zentren gibt es auf der ganzen Welt.
C. Guenzel: „Ein Zentrum für klinische Studien ist kein abgeschlossenes Camp in irgendeiner Wüste, in dem alle Patient:innen zusammengetrommelt werden, um die Effizienz eines Wirkstoffes zu überprüfen. Studienzentren gibt es auf der ganzen Welt und das passiert, sobald ein Arzt oder eine Ärztin einen Patienten oder eine Patientin in so eine Studie einschließt. Normalerweise sind Ärzte und Experten auf dem jeweiligen Gebiet, die wissen, wenn eine Studie startet. Wenn die Ein- und Ausschlusskriterien für einen Patienten oder eine Patientin stimmen, können diese Patient:innen an diesen Studien teilnehmen. Das heißt, der partizipierende Ärzt:innen und Patient:innen werden automatisch Teil eines Studienzentrums.
Auf die Frage, wie viele Proband:innen typischerweise an einer klinischen Studie teilnehmen, nimmt Carolin Guenzel noch mal auf die verschiedenen Phasen Bezug: „Es gibt Phase-I, Phase-II- und Phase-III-Studien. In der Phase-I-Studie, das ist eine klinische Studie, in der man einen Wirkstoffkandidaten, der zuvor nur an Tieren oder Zellen getestet worden ist, erstmalig an gesunden, freiwilligen Proband:innen testet.
Das Hauptziel liegt dabei hier in der Evaluierung der Pharmakokinetik, der Verträglichkeit und der Sicherheit des Medikamentes. Da nehmen nur eine Handvoll an Proband:innen teil. Wenn man merkt, dass das Medikament verträglich ist, dann geht man in die Phase II über. Das ist eine klinische Studie, bei der der Wirkstoffkandidat erstmal an Patient:innen, die wirklich die Zielerkrankung haben, eingesetzt wird. Das ist dann meistens im zweistelligen Bereich, kann auch im dreistelligen Bereich sein.
Das Hauptziel ist, sich den gewünschten therapeutischen Effekt anzuschauen, also die Wirksamkeit, dann zu schauen, ob Nebenwirkungen auftreten, also die Verträglichkeit zu testen, und auch die Dosisfindung für diesen spezifischen Wirkstoff. Und sollte hier ein positiver Effekt auf die Wirksamkeit eintreten beziehungsweise Verträglichkeit, dann geht man in eine Phase-III-Studie über. Und hier wird normalerweise dieses potenzielle neue Arzneimittel gegenüber dem bisherigen Therapiestandard überprüft.
Hier nehmen viel mehr Patient:innen teil. Von mehreren 100 bis mehreren 1.000 Patient:innen. Es kommt immer auf die Erkrankung an. Man kann sich generell auch als Faustregel merken, von Phase I bis Phase III nimmt der Anzahl der Proband:innen zu. Das ist sehr wichtig. In einer Phase-III-Studie möchte man ein größeres Patientenkollektiv haben, um Signifikanz nachweisen zu können. Und dafür sind größere Patientenzahlen erforderlich. Das heißt, es ist entscheidend, an welcher Erkrankung man forscht, wie lange eine Studie dauert. Man muss sich auch vorstellen, dass nicht alle Patient:innen an einem Datum gleichzeitig in eine Studie eingeschlossen werden, sondern es sich über Monate ziehen kann. Wenn es zum Beispiel eine sehr seltene Erkrankung ist, dauert es auch unter Umständen länger, bis Patient:innen in so eine Studie eingeschlossen sind versus Krebserkrankungen, die viel häufiger auftreten.“
D. Kalanovic: „Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Natürlich einerseits, was messen Sie denn in der klinischen Prüfung? Welche Endpunkte nehmen Sie? Das sind internationale Standards. Es gab in den letzten Jahren viele Fortschritte, dass man sich da geeinigt hat, was sind die besten Kriterien für bestimmte Erkrankungen. Und dann ist es natürlich für die Verlässlichkeit wichtig wie viele Patient:innen – das hat statistische Gründe – haben Sie untersucht. Je mehr Patient:innen Sie untersucht haben, desto verlässlicher ist in der Regel das Ergebnis.
Was heutzutage auch sehr wichtig ist, dass von vornherein feststeht, dass alle klinischen Studien auch publiziert werden. Dort findet dann praktisch auch der Qualitätscheck durch die wissenschaftliche Gemeinschaft statt. Es wird geschaut, ob die Ergebnisse relevant sind, ob sie nachvollziehbar sind und wie die Ergebnisse im Vergleich zu bekannten Pharma-Studien eingeordnet werden. Das trägt auch noch mal sehr zur Verlässlichkeit bei. Auch die anschließende Publikation in einem angesehenen Journal mit sogenanntem Peer Review – da kann man sich dann schon einigermaßen sicher sein, dass das verlässliche Ergebnisse sind.“
D. Kalanovic: „Experten ihres Fachgebiets, die nichts mit der Studie zu tun haben, begutachten das unabhängig voneinander, schauen sich die Ergebnisse an und kommen dann abgestimmt zu einem Ergebnis, zu Kritikpunkten, zu Rückfragen. Und dieses ganze Verfahren nennt man Peer-Review-Verfahren, welches eine wichtige Funktion hat. Es dauert ein paar Wochen, aber es ist wichtig, damit auch die Öffentlichkeit weiß, dass sie nicht nur Schlussfolgerungen des Autors, sondern die sind auch von einer Gruppe von unabhängigen Experten mit durchgesehen worden und für schlüssig befunden. Klinische Studien werden, unabhängig davon, wer sie initiiert, durchführt oder finanziert nach denselben internationalen Standards durchgeführt.“
D. Kalanovic: „Es gibt die sogenannten ICH-Guidelines, eine ganz wichtige Errungenschaft, die in den 70er-Jahren schon gestartet ist. In dem Prozess sind wir international zu immer mehr Harmonie gelangt. Klinische Studien werden nach einer sogenannten Good Clinical Practice durchgeführt. Die besagt zum Beispiel auch, wenn eine klinische Studie durchgeführt wird, dass eine unabhängige Ethikkommission das Protokoll beurteilen muss, dass Sie Endpunkte verwenden. Also das heißt, was Sie messen, muss internationaler Standard sein, wie Sie Daten erfassen. Das alles, das ist relativ standardisiert und unabhängig davon, wer die Studie durchführt.“
Zu dem standardisierten Vorgehen zählt auch, dass die Ergebnisse klinischer Studien publik gemacht werden – und zwar auch dann, wenn sich eine Substanz als unwirksam erwiesen hat.
D. Kalanovic: „Heute werden alle Studien, die angemeldet werden, gleichzeitig auch für eine spätere Publikation angemeldet. Das ist unerlässlich. Das heißt, man kann sicher sein, dass eine Studie, an der man teilnimmt, diese später auch veröffentlicht wird, unabhängig davon, welches Ergebnis herauskommt. Dass Studien erfolgreich sind, das wünscht man sich, aber das ist eben auch Teil unseres Berufs, dass wir auch damit leben müssen, dass Studien oft nicht das erwünschte Ergebnis bringen. Und diese Substanzen können dann nicht weiterverfolgt werden.“
Klinische Studien führt man durch, um die Wirksamkeit und die Verträglichkeit einer Substanz zu ermitteln. Entsprechend kann man nicht wissen, was die Ergebnisse sein werden.
D. Kalanovic: „Es ist Teil unseres Berufsbildes, dass wir wissenschaftliche Erkenntnisse experimentell und mit einer gewissen Ungewissheit, aber nach hohen Standards letztlich ausprobieren müssen, um den Fortschritt voranzubringen. Wir müssen verschiedene Dinge austesten, um zu erkennen, was hilft den Patient:innen wirklich. Und manchmal sind wir erfolgreich, manchmal nicht, manchmal sind wir später erfolgreich. „
Auch wenn man die Ergebnisse einer klinischen Studie also nicht kennen kann, bevor sie durchgeführt wurde, gibt es doch Studien, bei denen man noch vorsichtiger ist als ohnehin. Gereon Zöllner erklärt die Besonderheiten klinischer Studien mit Kindern. Er stellt heraus, dass Hersteller von Arzneimitteln diese sogar durchführen müssen.
G. Zöllner: „Arzneimittelstudien mit Kindern sind seit 2007, seit Inkrafttreten der sogenannten Kinderarzneimittelverordnung in der EU für neue Medikamente verpflichtend. Und das ist wichtig, denn Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, bei denen man einfach hergehen könnte und die Dosis vermindern. Je jünger ein Kind ist, umso mehr unterscheidet sich sein Stoffwechsel und seine Reaktion auf das Arzneimittel. Und bestimmte Erkrankungen, die kommen auch fast nur im Kindesalter vor. Oder sie haben einen anderen Verlauf als im Erwachsenenalter.
Deshalb sind Kinderstudien elementar und besonders wichtig. Außerdem geht es auch darum, dass man Arzneimittel dann auch kindgerecht zubereitet. Und jeder, der Kinder hat, der weiß, wie schwierig es für Kinder ist eine Tablette zu schlucken. Ich kann mich da selbst noch an einige schwierige Situationen erinnern. Deshalb werden dann auch besondere Darreichungsformen, also zum Beispiel Säfte – mit Himbeergeschmack beispielsweise – für Kinder entwickelt. Bevor man dann aber mit Studien bei Kindern beginnt, müssen in aller Regel mindestens Phase-I-Daten von Erwachsenen vorliegen. Und oft sind diese Medikamente bereits für Erwachsene zugelassen.“
Man sucht also höchstmögliche Sicherheit, bevor man Studien mit Kindern durchführt. Und es wird versucht, die Belastung für sie so gering wie möglich zu halten.
G. Zöllner: „Eine weitere Besonderheit bei Studien mit Kindern ist das gesetzlich verankerte sogenannte Prinzip der minimalen Belastung und des minimalen Risikos. Das heißt, bei einer Studie mit Kindern oder Jugendlichen muss wirklich auf jede vermeidbare Belastung und jedes vermeidbare Risiko verzichtet werden. Bei Erwachsenen ist es oft so, dass man vielleicht zusätzliche Blutabnahmen macht, um eine besondere medizinisch-wissenschaftliche Fragestellung beantworten zu können. Sowas geht bei Kindern nicht. Also darf ich nur dann Blut abnehmen, wenn das auch absolut notwendig für das Studienergebnis ist. Und ganz wichtig ist auch noch, dass nicht nur die Sorgeberechtigten, also in der Regel beide Eltern über die Studie aufgeklärt werden, sondern auch das Kind. Es muss auch eine altersgerechte Aufklärung erhalten. Und nur dann, wenn das einsichtsfähige Kind auch dieser Teilnahme zugestimmt hat, nur dann darf es auch an der Medikamenten-Studie teilnehmen. Es reicht also nicht, wenn da beide Eltern zustimmen. Wenn erkenntlich ist, dass das Kind nicht teilnehmen möchte, dann darf es auch nicht in die Studie eingeschlossen werden.“
Eine Teilnahme an einer klinischen Studie kann einige Vorteile bringen. Unter anderem wird man besonders engmaschig überwacht.
C. Guenzel: „Das ist definitiv ein Vorteil, man wird sehr engmaschig überwacht. Das ist allein schon wichtig, um die Verträglichkeit zu untersuchen und falls es dann doch irgendeine Nebenwirkung gibt, der man sozusagen schnell gegenkommen kann. Auf der anderen Seite muss man auch klar sagen, es ist eine Verpflichtung für Proband:innen in einer Studie teilzunehmen. Man ist definitiv häufiger im Krankenhaus oder bei Ärzt:innen, um Fragen zu beantworten, um sich Blut abnehmen zu lassen, um Analysen zu machen.“
Krebs-Studien fungieren nicht als Endstation für Patient:innen
Geht es um schwerwiegende Erkrankungen wie Krebs, wird der Vorschlag, an einer klinischen Studie teilzunehmen, manchmal als eine Art letzte Chance verstanden. Carolin Guenzel ist es wichtig, mit diesem Stigma aufzuräumen.
C. Guenzel: „Generell ist es so, dass eine klinische Studie nicht immer die letzte Möglichkeit darstellt. Man möchte die Therapiesituation so früh wie möglich in der Patientenerkrankung positiv beeinflussen. Denn je länger man auf einem Präparat ganz am Anfang ist, desto besser. Und das kann die Rolle der späteren Therapeutika auch beeinflussen. Das heißt, es ist nicht die Endstation für Patient:innen. Es kann großen Sinn machen, an einer klinischen Studie ganz zu Beginn einer Krankheit teilzunehmen, um von dem potenziellen Effekt dieses Medikamentes zu profitieren.“
Der Arzt Gereon Zöllner weiß um die vielfältigen Motive, die Menschen zur Teilnahme an klinischen Studien bewegen. Einen Beweggrund stellt er besonders heraus:
G. Zöllner: „Sehr oft spielen aber auch wirklich ganz uneigennützige Motive eine Rolle. Viele Patient:innen wollen mit ihrer Studienteilnahme einfach einen Beitrag zur Entwicklung neuer Medikamente leisten. Sie wollen also, ähnlich wie das bei Blutspender:innen vielleicht der Fall ist, ihren gesellschaftlichen Beitrag leisten. Vor allem sollte jedem klar sein, dass es ohne klinische Prüfung und ohne Menschen, die bereit sind, an diesen teilzunehmen, keine neuen Arzneimittel geben kann. Das kann man nicht im Computer entwickeln, trotz aller Digitalisierung. Das geht tatsächlich nur in klinischen Prüfungen und das heißt also, neben einem möglichen persönlichen Nutzen, den es geben kann – ist die Teilnahme an einer klinischen Prüfung also immer auch ein ganz, ganz wichtiger gesellschaftlicher Beitrag.“
Neue Medikamente und Impfstoffe kann es also nur geben, wenn Menschen bereit sind, an klinischen Studien teilzunehmen. Denn erst wenn die Wirksamkeit und die Sicherheit einer Substanz in der klinischen Prüfung erwiesen sind, kann eine Zulassung erfolgen. Auf welcher Basis Zulassungsbehörden entscheiden, können Sie in der nächsten Folge unseres Podcasts erfahren. Unter anderem wird es um Vor- und Nachteile einer Zulassung auf EU-Ebene gehen. Auch wie neue Therapien oder Impfstoffe besonders schnell zu den Menschen gebracht werden können, wird erläutert. Und was es dabei zu beachten gibt.
Erfahren Sie mehr über Pfizer und diesen Podcast auf unserer Website www.pfizer.de.
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