Sprechen wir über die Pandemie, geht es in der Regel um Inzidenzen, Krankenhausbelegung, Impfquoten und Todesfälle. Wir reden über „Long-COVID“ und über psychologische, soziale und ökonomische Auswirkungen. Doch neben diesen direkten Folgen einer Infektion mit SARS-CoV-2 hat die Pandemie weitreichende indirekte Folgen für die öffentliche Gesundheit. Nicht wahrgenommene Arzttermine, nicht oder spät diagnostizierte Krankheiten, verschobene Operationen und Behandlungen aller Art – all das hat einen Einfluss auf die Gesundheit vieler Millionen Menschen weltweit, den wir bis heute nicht beziffern können. Wir ahnen nur: Er dürfte gewaltig sein. Es ist der lange Schatten der Pandemie. Er wird uns noch viele Jahre begleiten.
Deshalb lassen diese Zahlen aufhorchen: Die Verordnungen für Standardimpfungen sind in Deutschland im ersten Halbjahr 2021 um fast ein Drittel (27 Prozent) zurückgegangen. Das sind im Vergleich zum Vorjahr 2,5 Millionen Impfungen weniger gegen Masern und Mumps, Keuchhusten, HP-Viren, Hepatitis B oder Pneumokokken. Nur die Zahl der Grippeimpfungen hat etwas zugelegt.
Es ist absurd: In einer Zeit, in der in Deutschland mit mehr als 100 Millionen applizierten COVID-19-Impfungen das größte Impfprogramm der Geschichte läuft, gerät ausgerechnet der Impfschutz für viele andere Erkrankungen ins Hintertreffen. Hinzu kommt: In Sachen Impfquote laufen wir dem, was medizinisch sinnvoll wäre, sowieso meist hinterher. Ein Beispiel? Nur jeder Fünfte, dem die Ständige Impfkommission (STIKO) eine Impfung gegen Pneumokokken empfiehlt, nahm diesen Schutz bisher wahr. Der Rückgang bei dieser Impfung in diesem Jahr ist von allen Indikationen am stärksten – es sind ganze 57 Prozent.