Frau Prof. Mehnert, eine Krebsdiagnose ist immer ein Schock. Wie unterscheidet sich die psychische Belastung bei Patientinnen, die erstmals eine Krebsdiagnose erhalten, von denen mit einer wiederkehrenden Erkrankung?
Wenn die Krankheit zurückkommt, ist dies für viele Frauen mit Brustkrebs eine sehr einschneidende Diagnose und es fällt vielen schwer, noch einmal die ganze Kraft, Energie und die Motivation aufzubringen für die bevorstehende Therapie, zumal die körperlichen wie psychischen Kräfte der Patientinnen nach der bereits zurückliegenden Behandlung oft eingeschränkt sind. Beim metastasierten Brustkrebs kommt noch etwas hinzu: die Unheilbarkeit. Sich mit dieser Situation auseinanderzusetzen ist schwierig und für die Patientinnen und ihre Angehörigen oft ein längerer Prozess. Viele Patientinnen geraten dabei in eine ambivalente Situation. In manchen Fällen empfehlen Ärzte, sich Gedanken über das nahende Lebensende zu machen und eine palliative Versorgung vorzubereiten. Gleichzeitig erwarten die Angehörigen meist, dass die Patientinnen kämpfen und optimistisch bleiben sollen. In dieser Situation eine eigene Position zu entwickeln, ist für die betroffenen Frauen alles andere als leicht.
Gibt es beim Brustkrebs bzw. metastasierten Mammakarzinom besondere psychische Belastungen, die sich von anderen Krebsarten unterscheiden?
Die Brust ist ein sichtbares Organ und Brustkrebs eine Krankheit, die sich meist nicht verleugnen lässt. Durch die Therapie können dauerhafte Veränderungen des Körpers entstehen, die für viele Frauen eine Beeinträchtigung des eigenen Körperbildes bedeuten. Die weibliche Brust ist für Frauen mit vielen Aspekten verknüpft. Diese reichen von der Mutterrolle bis hin zu Rolle als sexuell aktive Partnerin. Viele Frauen haben das Gefühl, dass durch die Krankheit ihre weibliche Identität in Frage gestellt wird. Oft reagieren Frauen darauf mit einer hohen psychischen Belastung, zum Beispiel Schamgefühl, und manche ziehen sich von ihren Partnern zurück. Auswirkungen auf die private Situation gibt es natürlich auch bei anderen Krebsarten, aber beim Brustkrebs, egal ob bei der Erstdiagnose oder im metastasierten Stadium, ergibt sich in vielen Fällen eine besonders schwierige Situation.