02.03.2018
Carl Janssen, Leiter des Bereichs Onkologie in Deutschland, äußert sich zu Medienbericht in der ARD, der in der Sendung Plusminus am 12.07.2017 ausgestrahlt wurde.
[Das Interview wurde am 02.03.2018 mit einem Hinweis aktualisiert (s. u.)]
Herr Janssen, der Plusminus-Bericht spricht von einem Streit um ein neues Brustkrebsmedikament von Pfizer, der zur Machtprobe geworden sei. Was sagen Sie dazu?
"Diese Aussage kann ich so nicht nachvollziehen. Es gibt unterschiedliche Sichtweisen und eine engagierte Diskussion. Immerhin geht es um ein Medikament, das für Patientinnen mit einer bestimmten Form von fortgeschrittenem Brustkrebs wichtig ist, weil es für sie mehr Zeit bringen kann, in welcher der Krebs unter Kontrolle ist und nicht fortschreitet. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sieht in dieser – gegenüber der bisher verfügbaren Behandlung deutlichen – Zeitverlängerung keinen Zusatznutzen. Das können wir, viele Ärzte und medizinische Fachgesellschaften sowie eben auch Patientinnen nicht nachvollziehen."
Können Sie zu den Preisverhandlungen etwas sagen?
"Wir befinden uns im Rahmen des in Deutschland vorgeschriebenen Prozesses derzeit in Verhandlungen mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen. Diesen Verhandlungen greifen wir nicht vorweg und spekulieren auch nicht darüber, welche Ergebnisse aus dem Verlauf der Verhandlungen resultieren könnten. Für die Patientinnen ist wichtig, dass unser Medikament in Deutschland unter Berücksichtigung der dafür vorgesehenen Voraussetzungen weiterhin voll verschreibungs- und erstattungsfähig ist."
[Aktualisierung vom 02.03.2018: Der GKV-Spitzenverband (GKV-SV), die Dachorganisation der gesetzlichen Krankenkassen, und Pfizer haben sich auf einen Erstattungsbetrag für das Medikament „Ibrance“ (Wirkstoff: Palbociclib) geeinigt. Der neue Apothekenverkaufspreis wurde am 1. März 2018 veröffentlicht und gilt ausschließlich für Deutschland]
Ein Vorwurf lautet ja, dass Ihr Medikament vermutlich nicht mehr könne als herkömmliche Therapien. Stimmt das?
"Der Beitrag in der ARD zeigt eine Patientin, die bereits zwei Chemotherapien erhalten hat und nun unser Medikament erhält. Es hilft ihr gut, was uns sehr freut. Die Möglichkeiten der Medizin für Patienten zu verbessern ist schließlich unser Ansporn und der Grund, warum wir forschen und neue Wirkstoffe entwickeln. Unser Brustkrebsmedikament hat in den Studien das so genannte ‚progressionsfreie Überleben‘ (PFS) bei Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs deutlich verlängert. Das bedeutet, dass der Krebs in dieser Zeit nicht weiter vorangeschritten ist. Viele Länder und die europäische Zulassungsbehörde EMA erachten dies als einen für Patienten wichtigen und relevanten Faktor, der auch als sogenannter Endpunkt in Studien akzeptiert wird. Zahlreiche medizinische Fachgesellschaften in Deutschland und weltweit haben das Medikament in ihre Therapieempfehlungen aufgenommen. In Deutschland stuft beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) das Medikament unter die bestmöglichen Therapien ein, die aktuell für Patientinnen mit sogenanntem hormonabhängigen metastasierten Brustkrebs zur Verfügung stehen. In den USA wurde das Medikament von der amerikanischen Zulassungsbehörde sogar als ‚breakthrough therapy‘ beschleunigt zugelassen. Das heißt, man erkannte darin einen medizinischen Durchbruch, der Patientinnen schneller zur Verfügung stehen sollte. Der G-BA bezieht das verlängerte progressionsfreie Überleben dagegen in seine Beurteilungen nicht ein und kommt daher zu dem Schluss, dass Ibrance keinen Zusatznutzen gegenüber den verfügbaren Therapien habe."
Und wie sieht es mit Nebenwirkungen aus?
"Wie jede wirksame Behandlung gegen Krebs ist auch unser Brustkrebsmedikament nicht frei von Nebenwirkungen. Diese sind in der Regel aber gut kontrollierbar, zum Beispiel durch eine individuelle Anpassung der Dosis oder Therapiepausen, sodass die Lebensqualität der Patientinnen unter der Therapie im Allgemeinen gut ist."
Im Wesentlichen betont der Beitrag immer wieder, dass es für Pfizer um viel Geld gehe. Was ist da dran?
"Selbstverständlich sind wir wie jedes Unternehmen darauf angewiesen, mit den Medikamenten, die wir entwickeln, Geld zu verdienen. Das ist in einer Marktwirtschaft – auch der sozialen Marktwirtschaft – ein Grundprinzip, an dem ich nichts Verwerfliches erkennen kann.
Unser Medikament, um das es in dem Beitrag geht, ist ein völlig neuartiger Wirkstoff und damit das Ergebnis immenser Forschungsanstrengungen. Die Situation von Krebspatienten hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Innovative Krebsmedikamente hatten und haben daran entscheidenden Anteil. Und unser Brustkrebsmedikament trägt ebenfalls dazu bei."