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Künstliche Intelligenz (KI) könnte die Entwicklung von Medikamenten in Zukunft deutlich beschleunigen und verbessern. Wie, das erklärt Dr. Djork-Arné Clevert, Head of Machine Learning Research, Vice President bei Pfizer. 

Zur Person:

Dr. Djork-Arné Clevert ist Informatiker und promovierte über maschinelles Lernen für die computergestützte Biologie. Seit 2022 ist er Head of Machine Learning Research bei Pfizer. Von Berlin und Boston aus arbeitet er mit seinem Team daran, neuartige Vorhersagemodelle und Analysemethoden zu entwickeln, um tiefgehende Erkenntnisse zur Pathophysiologie von Krankheiten und potenziellen Wirkstoffen zu gewinnen.

ChatGPT hat für viele Menschen begreifbar gemacht, was KI kann. Sind Large Language Models auch für die Arzneimittelentwicklung nutzbar?

Tatsächlich können solche Large Language Models medizinische Fallberichte oder wissenschaftliche Texte in einem Ausmaß analysieren, welches weit über die menschliche Kapazität hinausgeht. Aus Tausenden Einzelfällen könnten sie spezifische Phänotypen identifizieren, die bislang wissenschaftlich unbekannt sind. Das wiederum kann Hinweise auf neue Targets, also Wirkstoff-Zielpunkte im Körper, geben. 

Wird man mittels KI neue Therapien finden?

Ja, ich erwarte, dass wir mittels KI neue Targets identifizieren. Der Ausgangspunkt in der Arzneimittelforschung ist ja, sich zu überlegen, welcher zelluläre Prozess eine bestimmte Krankheit begünstigt – und wie dieser gestoppt werden kann. Wenn zum Beispiel das Protein K-Ras dafür sorgt, dass Krebszellen immer weiter wachsen, dann ist das Ziel, dieses Protein zu blockieren.

Im nächsten Schritt geht es darum, ein solches Ziel-Protein (Target) an einer Wirkstoffbibliothek mit Millionen Substanzen auszuprobieren: Welche bestehende Substanz bindet daran? Wirkstoffmoleküle, die daran zappeln, nennen wir „Hits“. Jetzt verändert man eine solchen Hit vielleicht noch ein wenig, damit er ein bisschen löslicher wird oder noch stärker gegen das Ziel-Protein bindet. Dann beginnt die eigentliche Modellierung des Wirkstoffs. Man muss sicherstellen, dass er im Körper wie gewünscht aufgenommen wird, dass er energetisch stabil ist, sich richtig verteilt, sich wieder abbaut, wieder ausgeschieden werden kann, nicht toxisch ist ... Es ist gut vorstellbar, dass wir eines Tages ein KI-System beauftragen, das Molekül so zu entwerfen, dass all diese Kriterien erfüllt sind. 
Einige dieser Teilschritte kann man schon heute mit maschinellem Lernen beschleunigen, etwa, indem man bestimmte Anforderungen an ein potenzielles Wirkstoffmolekül im Computer simuliert. 

Macht maschinelles Lernen die Arzneimittelentwicklung einfach nur schneller oder bringt sie noch eine neue Dimension dazu?

Maschinelles Lernen beschleunigt nicht nur den Prozess, sondern erweitert auch die Tiefe unserer Analysen. Während menschliche Forscher:innen gut darin sind, lineare Zusammenhänge bis zu einem gewissen Punkt zu erkennen, übertrifft maschinelles Lernen uns bei komplexeren oder multidimensionalen Daten. Ein Mensch kann das komplexe Zusammenspiel von Milliarden von Zellen nicht mental verarbeiten – beispielsweise, wie sich Zellen differenzieren oder welche Gene wann und wie exprimiert werden. Maschinelles Lernen jedoch kann genau das leisten.

Ersetzt KI bestimmte Entwicklungsschritte ganz?

Wenn eine KI mit ausreichend Daten trainiert worden ist, dann kann man in der Computer-Simulation Ergebnisse erreichen, die im Bereich einer physischen Messung liegen. Es ist denkbar, dass wir dann nicht mehr am Tiermodell untersuchen müssen, ob ein Wirkstoff toxisch wirkt. Spannend wird es auch im Bereich der digitalen Pathologie. Heute begutachten hochspezialisierte Patholog:innen Gewebeschnitte vom Tiermodell – um zu bewerten, ob ein bestimmter Wirkstoff mit der Zeit schädlich sein kann. Es gibt nicht viele solcher Spezialisten, deshalb ist die Pathologie in einer klinischen Studie oft ein Flaschenhals. KI kann ein Vielfaches an Gewebeschnitten auswerten – und eine Vorauswahl treffen: Wo soll der menschliche Pathologe drauf gucken, wo kann er oder sie sich die Zeit sparen? Ich betrachte sie als ein mächtiges Hilfsmittel. Sie wird die Pathologen:innen nicht ersetzen. Stattdessen wird sie ihnen mehr Zeit für die Diagnose relevanter Aspekte geben, indem sie repetitive Aufgaben, wie das monotone Zählen von Zellkernen, übernimmt.

Ist Pharmaforschung, wie sie bislang betrieben wurde, vorbei?

Nein. Wir erweitern lediglich das Spektrum unserer Möglichkeiten. Es ist toll, was ein Biologe bzw. eine Biologin derzeit alles machen kann. Wenn ich mir jetzt noch vorstelle, er oder sie könne dazu noch mittels einer KI einfach programmieren und jegliche Information verknüpfen! Wir geben diesen Wissenschaftlern also Tools an die Hand für weiteren Erkenntnisgewinn. Das Ganze ist ein kontinuierlicher Prozess, keine Disruption. 

Mit der Google-Tochter AlphaFold und RoseTTAFold von den Baker Labs sind zwei KI-en im Internet frei zugänglich, um die Form von Proteinen zu bestimmen. Wieso werden solch starke Tools mit allen geteilt?

Ich bin ein Befürworter von Open Source: Wären Unternehmen wie Google oder Facebook nicht mit ihren Programmierungs-Tools den Open-Source-Weg gegangen, dann würden Forschende wie ich 99 Prozent ihrer Zeit damit verbringen, grundlegende Tools zu implementieren. Stattdessen nutze ich Bibliotheken, hinter denen Millionen Codezeilen stehen, um eigene Programme mit lediglich einigen Zehntausend Zeilen von Code zu schreiben. Es ist das Mindeste, dass ich der Community wieder etwas davon zurückgebe. Etwas anderes sind Daten, Daten würde ich nie teilen. Wenn unsere Daten zu einem neuen Ziel-Protein führen, dann müssen selbstverständlich wir den Nutzen davon haben. Bei den Tools aber geht es um die präkompetitiven Methoden. Die Machine-Learning-Community entwickelt kontinuierlich neue Methoden und strebt stets nach neuen, besseren Standards. Das geht nur, wenn wir die Dinge teilen. Das haben auch große Pharmaunternehmen verstanden. In meiner Jobbeschreibung war explizit vermerkt, dass ich Open-Source-Repositorien für Pfizer mitgestalten soll. Ohne diesen Punkt hätte ich mich wahrscheinlich nicht beworben.

Künstliche Intelligenz

ist ein Computersystem, das selbstständig alle Informationen zusammenzuträgt, die es braucht, um eine Aufgabe zu lösen. Diese Intelligenz beruht entweder auf programmierten Abläufen oder auf maschinellem Lernen.

Maschinelles Lernen

heißt, dass ein Algorithmus durch Wiederholung etwas lernt. Voraussetzung sind große Datenmengen und eine hohe Rechenleistung. 

Neuronale Netze

sind ein Untergebiet von maschinellem Lernen. Ähnlich wie das menschliche Gehirn Nervenzellen vernetzt, verbinden sie Datenknoten auf mehreren Ebenen. Sie werden trainiert, indem ihnen immer wieder Daten vorgelegt werden. Nachdem solche Lernalgorithmen sehr, sehr viele Pferdebilder gesehen hatten, konnten sie Pferde erkennen. So genannte Deep Neural Networks« haben Hunderttausend oder Millionen Datenpunkt-Schichten und können immer komplexere Probleme lösen.

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