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HomeNewsroomNews & StoriesDr. Jasmina Kirchhoff: Mit den richtigen Rahmenbedingungen „kann“ Deutschland wieder Pharma.„Deutschland kann Pharma – aber andere Länder schlafen nicht.“

Der Wettbewerb auf dem internationalen Arzneimittelmarkt zieht an. Was ist wichtig, damit sich Arzneimittelengpässe in Deutschland nicht verstetigen und das Land seine Stärken ausspielen kann? Ein Gespräch mit Dr. Jasmina Kirchhoff vom Institut der deutschen Wirtschaft, Mit-Herausgeberin einer Studie zum Gesundheits- und Pharmastandort Deutschland.

Frau Dr. Kirchhoff, in Deutschland kennen wir die Angst um die Versorgung mit Hustensaft, Antibiotika und sogar Krebspräparaten. Wie kann es sein, dass der einstigen „Apotheke der Welt“ Medikamente fehlen?

Die Versorgungsengpässe betreffen meist Generika, also Nachahmerpräparate von Medikamenten, bei denen der Patentschutz ausgelaufen ist. Das war auch im Jahr 2023 so, als das hausgemachte Problem ganz deutlich wurde: Der Gesetzgeber führte in der Vergangenheit viele Kostendämpfungsmaßnahmen im Gesundheitswesen ein, die gerade Generika-Preise immer weiter drückten. Je weiter aber deren Erstattungsbeträge sanken, desto schwerer wurde es für Hersteller, diese Präparate in Deutschland kostendeckend zu produzieren. Die Produktion ist zunehmend abgewandert, vor allem nach Asien, oder wurde aufgegeben.

Können wir solch eine Abhängigkeit wieder rückgängig machen?

Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) zeigt, dass die Politik verstanden hat. Für Kinderarzneimittel, beispielsweise, gibt es keine Rabattverträge und Festbeträge mehr. Beide haben das Ziel, den Erstattungspreis für Generika durch die Gesetzlichen Krankenkassen zu begrenzen. Außerdem müssen Krankenkassen bei Ausschreibungen für Antibiotika jetzt auch Wirkstoffe aus europäischer Herstellung berücksichtigen. So gut diese Vorstöße sind, sie sind nur ein erster Schritt. Wir sehen ja, dass die Unternehmen nicht in Scharen zurückkehren, um hier wieder Generika wie Kinderhustensaft herzustellen. Das lohnt sich weiterhin kaum. Zumindest sind aber keine weiteren Hersteller aus dem Markt ausgetreten. Doch die Rückverlagerung sollte auch nicht unser Hauptziel sein.

Worauf kommt es jetzt an?

Auf dem globalen Markt müssen grundsätzlich wieder mehr Hersteller produzieren, gerne auch in Deutschland, und wir müssen den innovativen Pharmastandort stärken. Es braucht Rahmenbedingungen, unter denen es sich in Deutschland lohnt, innovative, also patentgeschützte Arzneimittel genauso wie Generika herzustellen. So werden wir nicht auch bei innovativen Therapien vom Ausland abgehängt und stärken die heimische Produktion der Generika von Morgen.

Werden denn auch innovative Medikamente zunehmend aus Europa ausgelagert?

Hier liegt der Fall anders, denn für die Herstellung dieser technisch-komplexen Arzneimittel kommt es vor allem auf die Expertise in Forschung, Entwicklung und hochinnovativen Produktionsprozessen am Standort an. Und da ist Deutschland weiterhin stark: Wir haben sehr gut ausgebildete Fachkräfte, einen starken Gesundheitsmarkt und eine international hoch angesehene Forschungslandschaft. Es gibt den schönen Satz: „Deutschland kann Pharma“.

Aber andere Länder schlafen nicht. Gerade bei biotechnologischen Präparaten zieht der internationale Wettbewerb an. Viele Länder haben erkannt, dass es wichtig ist, in die Forschung und Produktion für solche hochinnovativen Arzneimittel vor Ort zu investieren, weil eine eigene Arzneimittelentwicklung den Wirtschaftsstandort stärkt und zur Versorgungssicherheit beiträgt.

Woran sieht man, dass der internationale Wettbewerb um innovative Medikamente steigt?

Die USA sind in der Pharmaforschung schon lange global führend und werden stärker. China will weg vom Image des Nachahmers und baut seit Jahren seine wissenschaftliche Infrastruktur aus. Mittlerweile kommen von dort fast so viele biotechnologische Patente wie aus Deutschland, bei klinischen Studien ist das Land auf Platz zwei. Auch andere Länder wie Belgien, Südkorea oder Spanien holen auf. Deutschland entwickelt sich im internationalen Vergleich bei den Forschungsaktivitäten mittelmäßig, genauso bei den Patentanmeldungen und verliert bei klinischen Studien an Boden. Wir zählten als Studienstandort mal zur Spitze, inzwischen liegen wir international auf Platz sechs. Wir haben zwar eine hochangesehene Grundlagenforschung, aber wenn es darum geht, gute Ideen von der Forschung in die Anwendung zu bringen, sind wir nur noch Mittelfeld.

Woher kommt diese Translationsschwäche?

Das Problem ist vielschichtig. Das hat viel mit schleppender Digitalisierung und überbordender Bürokratie zu tun. Während wir hierzulande noch versuchen, Verträge für die Durchführung klinischer Studien zu schließen, haben andere Länder längst mit der Patientenrekrutierung begonnen. Hinzu kommt eine schwache Vernetzung zwischen akademischer Forschung und Industrie, die hierzulande oft kritisch beäugt wird, aber in den USA alltäglich ist. Uns fehlt ein starker Wagniskapitalmarkt, der auch helfen würde, vielversprechende universitäre Forschung in eine Ausgründung zu tragen.

➤ Hier weiterlesen zum Thema Bürokratieabbau am Pharmastandort Deutschland

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang das geplante Medizinforschungsgesetz?

Es ist Teil der Pharmastrategie, die zu begrüßen ist, weil sie die wunden Punkte angeht: die Digitalisierung, den Datenzugang auch für private Forschungen und mehr. Allerdings werden wir uns mit diesen Ideen – die bitte schnell umgesetzt werden sollten – nicht direkt an die Weltspitze katapultieren können, aber auf jeden Fall nicht weiter den Anschluss verlieren. Wir setzen damit im Wesentlichen Maßnahmen um, die in anderen Ländern gang und gäbe sind. Wir müssen weiterdenken. Die anderen tuen es ja auch.

In welche Richtung müssen wir weiterdenken?

Es gilt, genau hinzuschauen: Wo sind in diesem ganzen Gefüge die Stellen, die noch nicht ineinandergreifen, damit der Motor richtig läuft? Wir gehen zwar richtige Schritte, um Forschung und Entwicklung zu fördern, aber wir nehmen kaum in den Blick, dass Innovationen auch entsprechend zu entlohnen sind. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz aus dem Jahr 2022 wirkt eher investitions- und innovationsfeindlich. Der Grundsatz, dass ein besseres Produkt auch einen höheren Preis erzielt, gilt nicht mehr uneingeschränkt. Gerade für diese Unternehmen, die in langen Entwicklungszyklen arbeiten, mit hohem Risiko und hohen Kosten, ist es aber wichtig, dass ihr Forschungseinsatz im Erfolgsfall refinanzierbar ist. Es braucht neue, innovationsfreundlichere Regelungen.

Was hätten die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft davon?

Die Corona-Pandemie und Arzneimittelengpässe haben gezeigt, wie wichtig eine starke pharmazeutische Produktion vor Ort ist. Wenn wir sowohl innovative als auch generische Produktionen stärken, stärken wir auch unsere zukünftige Versorgung. Wir müssen auch darauf schauen, wie es mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland weitergeht. Deutschland ist als ressourcenarmes, exportorientiertes und alterndes Land auf hochinnovative und wertschöpfungsstarke Schlüsselindustrien angewiesen. Die pharmazeutische Industrie zählt zu den produktivsten und innovativsten Branchen in Deutschland. Sie kann helfen, die notwendige Transformation zu schaffen.

Sollten wir also versuchen, wieder zur „Apotheke der Welt“ zu werden?

Unser Ziel sollte sein, als ernstzunehmender Akteur auf dem hochdynamischen, innovativen globalen Arzneimittelmarkt auch in Zukunft oben mitzuspielen. Der medizinische Fortschritt ist rasant, der Wettbewerb wird stärker. Therapien werden personalisierter und Patientenpopulationen dadurch kleinteiliger. Damit Innovationen auch zukünftig bei den Patienten in Deutschland ankommen, braucht es jetzt die richtigen Weichenstellung. Forschende Unternehmen schauen, wo die Rahmenbedingungen für ihre Entwicklungen stimmen, und zwar für die Forschung, für die Produktion und für den Marktzugang. Sollen medizinische Innovationen auch weiterhin aus Deutschland kommen, müssen wir konsequent den von der Politik eingeschlagenen Weg weiterverfolgen und umsetzen.

Gesundheitsstandort Deutschland. Entwicklungen und Potenziale. Die Rolle der Pharmaindustrie für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Pfizer und IW, 2024.

Dr. Jasmina Kirchhoff vom Institut der deutschen Wirtschaft (Copyright: Susanne Kurz)

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