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HomeNewsroomNews & StoriesLong COVID: Symptome, die bleibenLong COVID: Das Rätsel der 200 Symptome

Die Infektion ist vorbei, doch die Symptome bleiben: Weltweit leiden Millionen Menschen unter Long COVID oder Post COVID. Was weiß die Wissenschaft inzwischen?

Zur Person:

Dr. med. Christian Lenz ist seit Januar 2024 Medizinischer Direktor von Pfizer Deutschland. In dieser Rolle leitet er die medizinisch wissenschaftliche Abteilung für alle Therapiebereiche und ist Mitglied der Geschäftsführung. Christian Lenz hat Humanmedizin in Heidelberg studiert und erwarb einen Master of Science in pharmazeutischer Medizin in Dublin und Harvard. Seit er 2002 zu Pfizer kam, hatte er eine Reihe lokaler, regionaler und globaler Führungspositionen im Bereich Medical Affairs, Health Economics & Outcomes Research und Market Access in verschiedenen Therapiegebieten inne.

Inhalt

Long COVID bzw. Post COVID stellt die Medizin vor ein Rätsel. Im Körper sind SARS-CoV-2-Viren nicht mehr nachweisbar, doch die Symptome dauern an. Sie können nahezu jedes Organ betreffen, Herz oder Lungen, Nieren oder Magen-Darm-Trakt, Sinnessystem oder Stoffwechsel, Muskeln oder Gehirn. Manchmal variieren die Symptome, verschwinden und tauchen wieder auf.

Long COVID Symptome

Mehr als 200 Long COVID Symptome sind inzwischen bekannt, unter anderem:

  • chronische Schwäche/Fatigue, 

  • trockener Husten

  • Herzrhythmusstörungen

  • Kopfschmerzen

  • Muskelschmerzen

  • Gedächtnis-, Schlaf-, Riech- und Schmeckstörungen

  • „Gehirnnebel“/ „Brainfog“ 

  • Depressionen

  • Lungenembolie

  • Angstzustände

  • Kurzatmigkeit

  • Haarausfall

  • Diabetes 

  • Atemnot 

 „In seinen vielen Varianten führen Long COVID bzw. Post COVID nicht selten vor allem zu starker Müdigkeit, einer starken, anhaltenden Schwäche und schneller Erschöpfung“, sagt Dr. Christian Lenz, Medizinischer Direktor bei Pfizer Deutschland. Der gängigsten Definition nach spricht man von Long COVID, wenn Symptome länger als vier Wochen andauern, von Post COVID, wenn sie sich über drei Monate hinziehen. „Wir haben auch bei uns im Unternehmen einige Kolleginnen und Kollegen, die deswegen nicht mehr arbeitsfähig sind“, sagt Christian Lenz. 

Wie viele Menschen erkranken an Long COVID?

Wie viele Menschen weltweit von diesen zähen Leiden betroffen sind, ist nicht ganz klar. Man schätzt mindestens jeder Zehnte, der einen schweren COVID-19-Verlauf hatte – das sind circa 65 Millionen Menschen. Eine Studie aus Deutschland sowie die Auswertung dortiger Krankenversicherungsdaten kommen auf 6 beziehungsweise 6,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. 

„Das sind sehr, sehr viele Erkrankte mit gewaltigen Auswirkungen für die Betroffenen und Angehörigen sowie die jeweiligen Volkswirtschaften“, erklärt Christian Lenz. Zum persönlichen Leid kommen lange Arbeitsausfälle und hohe Kosten für das Gesundheitswesen hinzu.

Mehr zum Thema Stigmatisierung und was wir dagegen tun können.

Wer erkrankt an Long COVID?

Grundsätzlich kann jeder, der mit SARS-Cov2 infiziert worden ist, an Long COVID bzw. Post COVID erkranken – selbst ansonsten kerngesunde, junge und sportliche Leute. Allerdings haben einige Menschen ein höheres Risiko als andere. 

„Die Wissenschaft weiß noch nicht genau, warum“, sagt Lenz, „aber bestimmte genetische Faktoren könnten eine Rolle spielen. Zum Beispiel scheint eine DNA-Sequenz in der Nähe eines Gens namens FOXP4 das Erkrankungsrisiko zu erhöhen.“ Weitere wahrscheinliche Risikofaktoren: ein höheres Alter, das weibliche Geschlecht oder ein schwerer akuter COVID-Verlauf. 

Vom Tisch ist der anfängliche Verdacht, Long COVID könne psychisch bedingt sein. „Da wurden viele Patient:innen zu Unrecht abgekanzelt“, erklärt der Mediziner, „und leider gibt es immer noch viele Stimmen, die meinen, das sei eine durch die Pandemie ausgelöste Depression. Nein! Wir haben es mit einer objektivierbaren Krankheit zu tun und sollten sehr vorsichtig sein mit der These, sie sei psychisch überlagert.“

Wie entsteht Long COVID? 8 Hypothesen der Forschung

Wie es aber im Körper der Betroffenen zu dieser langwierigen Erkrankung kommt, ist immer noch unklar. An folgenden Hypothesen arbeitet die Forschung:

1. Anhaltende virale Infektion

Studien haben gezeigt, dass bei manchen Menschen nach der Erstinfektion die Erbsubstanz RNA des Corona-Virus im Körper bleibt. Somit wird das Virus nicht vollständig abgebaut: Das könnte die chronischen Symptome erklären.

2. Fehlregulation des Immunsystems

Bei Long COVID-Patient:innen sind Veränderungen der T-Zellen nachweisbar – darunter erschöpfte T-Zellen und reduzierte zentrale CD4+-Gedächtniszellen. Dies ist ein Zeichen, dass der Körper eine Immunreaktion nicht kontrollieren kann. Studien haben auch von „hoch aktivierten angeborenen Immunzellen" berichtet, bei einem Mangel an T- und B-Zellen. All diese Zellen spielen eine wichtige Rolle für die Unterstützung des Immunsystems bei der Abwehr aktueller und zukünftiger Infektionen.

3. „Mikroklumpen“

„Mikroklumpen“ sind winzige Blutgerinnsel, die Blutgefäße blockieren und den Sauerstoff- und Blutfluss beeinträchtigen können. Bei Patienten mit einer akuten Coronainfektion oder mit Long COVID können sie Verstopfungen im Kreislauf auslösen. Man beforscht die Folgen solcher Verstopfungen, um herauszufinden, ob sie Long COVID befördern.

4. Reaktivierung latenter Viren

Jede:r von uns trägt „schlummernde“ Viren in sich, die wieder aktiv werden können, wenn das Immunsystem schwach ist. Studien zufolge könnten im Körper schlummernde Herpes-Viren oder Epstein-Barr-Viren durch das überforderte Immunsystem bei Long COVID wieder reaktiviert werden. Das verursacht weitere Symptome.

5. Autoimmunreaktionen

Wenn das körpereigene Immunsystem Antikörper produziert, die das eigene Gewebe oder eigene Organe angreifen, ist das eine so genannte Autoimmunreaktion. Möglicherweise aktiviert das Corona-Virus unser Immunsystem derart zur dauerhaften Produktion von Antikörpern, die dann Entzündungen und weitere Organschäden auslösen.

6. Gestörte Signalübertragung in Gehirn und Rückenmark

Die Nervenfasern im Gehirn sind von einer schützenden Hülle umgeben, der so genannten Myelinschicht. Ist sie geschädigt, kann es zu neurologischen Störungen kommen. Eine Studie aus dem Jahr 2022 untersuchte den Zusammenhang zwischen leichten COVID-Infektionen und dauerhaften kognitiven Beeinträchtigungen und stellte fest, dass Long COVID Gedächtnis, Konzentration und Informationsverarbeitung beeinträchtigt und dies von einer kaputten oder gar fehlenden Myelinschicht herrühren kann.

7. Störung des Mikrobioms

Die schädliche Wirkung von Long COVID aufs Immunsystem kann sich negativ auf die Darmflora auswirken. Das befördert Entzündungen und kann zum Zusammenbruch der Schleimhautbarrieren führen, sodass Bakterien vom Darm aus in den Körper eindringen können.

8. Störung der Mitochondrien

Neuesten Studien zufolge kann die Corona-Infektion zumindest bei manchen Menschen die Produktion von Energie in den Zellkraftwerken (Mitochondrien) stören, und zwar in vielen Organen und offenbar unumkehrbar. Das könnte zu den vielfältigen Symptomen von Long COVID beitragen, insbesondere der Abgeschlagenheit.

Behandlung von Long COVID: Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Mit Blick auf die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der klinischen Symptome ist die Suche nach einem Wirkstoff sehr herausfordernd. Zwar listet das Studienregister clinicaltrials.gov um die 400 Studien zu Long-/Post COVID auf. Aktuell liegen jedoch noch für keinen Wirkstoff fortgeschrittene Daten für eine Wirksamkeit vor. 

Bislang lassen sich nur die Symptome dieser Erkrankung behandeln, wobei der Erfolg der Therapie stark davon abhängt, wie sich ein individuelles Long/Post COVID äußert. Eine Lungenembolie ist zum Beispiel gut behandelbar, das Chronische Erschöpfungssyndrom noch nicht. 

„Da brauchen wir dringend mehr Studien, mehr wissenschaftliche Ansätze, um mehr Licht ins Dunkel zu bringen – zumal auf dem Therapiemarkt viele halbseidene, individuelle Heilversuche kursieren“, sagt Christian Lenz. 

Hilft eine Blutwäsche bei Long COVID?

Alternative Methoden wie Atemtechniken oder Blutwäsche bei Long COVID seien meist nicht mit Daten untermauert. So untersuchte das Cochrane Institute – es prüft den Wert von Therapien nach strengen wissenschaftlichen Kriterien –, ob der Effekt des Verfahrens der Blutwäsche wirklich nachgewiesen ist. Das Ergebnis ist so eindeutig wie ernüchternd: Ob und wie die Blutwäsche gegen Long-/Post COVID hilft, dafür gibt es keinerlei stichhaltige Belege. Der Mediziner empfiehlt, spezialisierte Behandlungszentren aufzusuchen.

Wie verläuft Long bzw. Post COVID?

„Der Zustand der meisten Betroffenen bessert sich nach einiger Zeit schon. Aber in einer Minderheit tritt eben keinerlei keine Besserung auf.“ Daten dazu habe gerade die Berliner Charité und das Max-Delbrück-Centrum in Buch erhoben. 

Menschen mit Post COVID, die ein halbes Jahr nach ihrer Corona-Infektion an einer krankhaften Erschöpfung – der ME/CFS – leiden, sind oft auch nach 20 Monaten noch stark beeinträchtigt. Patient:innen mit ähnlichen Symptomen, die aber die Diagnosekriterien für ME/CFS nicht voll erfüllen, erleben indes eine langsame Verbesserung ihrer Beschwerden.

Kann man sich vor Long COVID schützen?

Hundertprozentig vor Long-/Post COVID schützen kann man sich nur, indem man sich gar nicht mit dem Corona-Virus infiziert. Und: Einige Studien deuten darauf hin, dass Long-/Post-COVID bei geimpften Menschen weniger auftritt. „Aber wir brauchen dazu mehr Daten, sagt Lenz – aus klinischen Studien, aber auch aus dem Versorgungsalltag.“

Quellen:

https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/1040841X.2023.2190405
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9839201/
https://www.science.org/doi/full/10.1126/scitranslmed.abq1533
https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD015775/full/de
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2589537023003231
https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2808856

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Einblicke in Studie

US-Forschende haben jetzt die Krankengeschichten von 140.000 Patient:innen analysiert, die im Jahr 2020 positiv auf das COVID-19-Virus getestet wurden. Ergebnis: Diese Menschen hatten ein bis zwei Jahre nach ihrer Infektion eine deutlich höhere Sterberate als eine Vergleichsgruppe mit Leuten ohne bestätigte Corona-Infektionen. Die Infizierten entwickelten deutlich öfter Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Diabetes, Alzheimer und Depressionen. 

Die Unterschiede zwischen den Gruppen verringerten sich zwar im Laufe der Zeit (dann stieg auch die Zahl der genannten Erkrankungen in der Vergleichsgruppe an), blieben aber signifikant. Selbst bei einem Drittel derjenigen, deren COVID-19-Verlauf so mild war, dass sie nicht ins Krankenhaus mussten, bestand auch zwei Jahre später noch ein erhöhtes Risiko für diverse Erkrankungen. 

Bei den zuvor im Krankenhaus behandelten Patient:innen stieg diese Zahl auf zwei Drittel an. Bei ihnen war die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken, mehr als doppelt so hoch wie in der Kontrollgruppe, und die Wahrscheinlichkeit, an Herzversagen zu leiden, lag bei etwa 50 Prozent. 

Der Wermutstropfen dieser Studie: 90 Prozent der Patienten sind Männer und über 60 Jahre alt. Sie ist also nicht repräsentativ für alle Altersstufen und Frauen, sondern eben für Männer-Ü60. Gleichwohl zeigen sie eindrücklich die medizinischen Langzeiteffekte von Corona.

In einer weiteren Studie ermittelten Forschende aus Hongkong, dass die Corona-Infektion auch das Risiko für sogenannte Autoimmunerkrankungen erhöht. Dabei greift das Immunsystem körpereigene Strukturen an.

Quellen:
https://www.nature.com/articles/s41591-023-02521-2
https://www.thelancet.com/journals/eclinm/article/PIIS2589-5370(23)00331-0/fulltext

Pacing als Empfehlung

Mangels bewiesener Therapien gegen die Long-/Post COVID-Variante mit chronischem Erschöpfungssyndrom empfehlen Expertinnen der Berliner Charité ihren Patienten das sogenannte Pacing. 

Das bedeutet: Die Betroffenen sollten täglich Hilfsmittel wie Schrittzähler, Herzfrequenzmesser, Aktivitätstagebuch und Entspannungsübungen nutzen, um ihre Energiereserven gut einzuteilen und eine Überlastung zu vermeiden. Je besser Betroffene das Pacing beherrschen, desto weniger Beschwerden hätten sie durch ihre Erkrankung. Dabei sollte man sich sehr vorsichtig an die Belastungsgrenzen herantasten. Mit professioneller Anleitung lässt sich eine Überanstrengung vermeiden.

Quellen:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2589537023003231
https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/wie_sich_schweres_long_covid_langfristig_entwickelt/

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