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Deutschland soll zum Spitzenstandort für Gesundheitsforschung und klinische Studien werden – so steht es im Koalitionsvertrag. Das Land hatte zuletzt bei der Erprobung neuer Medikamente deutlich an Attraktivität verloren. Warum medizinische Forschung made in Germany ein Zukunftsfeld ist und wie Deutschland wieder zum Top-Studienort wird. Drei Perspektiven.
Sebastian Zirfas, Head of Policy & Public Affairs (© Pfizer)
Dr. med. Christian Lenz ist seit Januar 2024 Medizinischer Direktor von Pfizer Deutschland. In dieser Rolle leitet er die medizinisch wissenschaftliche Abteilung für alle Therapiebereiche und ist Mitglied der Geschäftsführung. Christian Lenz hat Humanmedizin in Heidelberg studiert und erwarb einen Master of Science in pharmazeutischer Medizin in Dublin und Harvard. Seit er 2002 zu Pfizer kam, hatte er eine Reihe lokaler, regionaler und globaler Führungspositionen im Bereich Medical Affairs, Health Economics & Outcomes Research und Market Access in verschiedenen Therapiegebieten inne.
In den letzten Jahrzehnten hat die medizinische Forschung große Sprünge gemacht. Mithilfe von Gen-Sequenzierung und weiteren biotechnologischen Untersuchungsmethoden lassen sich biologische Prozesse inzwischen auf Zellebene erfassen. Künstliche Intelligenz hilft, aus den riesigen Datenmengen, die hierbei anfallen, Erkenntnisse zu ziehen. Forschende verstehen immer genauer, was in einzelnen Zellen passiert, wenn wir krank werden. Dieses Wissen ist der Schlüssel für eine neue Art von Behandlungen: maßgeschneiderte Therapien, die auf bestimmte zellbiologische Merkmale einer Erkrankung abzielen – etwa bei Krebs, seltenen Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen.
Weltweit investieren Länder in die Forschung an dieser sogenannten personalisierten Medizin. Auch Deutschland setzt auf vorhandene Stärke in diesem Bereich – und möchte zum weltweit innovativsten Chemie-, Pharma- und Biotechnologiestandort werden.
Gerade für ein rohstoffarmes Land mit alternder Bevölkerung ist das von besonderer Bedeutung: Bis 2035 wird voraussichtlich jeder Dritte in Deutschland über 60 Jahre alt sein. In einer solchen Gesellschaft muss Wertschöpfung verstärkt aus Wissen entstehen. Gleichzeitig verbessert eine starke, lokal verankerte medizinische Forschung die Gesundheitsversorgung im eigenen Land.
Die Ausgangslage für Spitzenforschung ist in Deutschland gut: Hier gibt es exzellente Universitäten und Forschungsinstitute, weltweit führende Pharma-Unternehmen, hochqualifiziertes Fachpersonal und renommierte Aufsichtsbehörden. Jetzt kommt es darauf an, diese Stärken zu bündeln – und aus vielen Einzelakteuren ein gut vernetztes Forschungsökosystem zu schaffen.
Klinische Forschung überprüft neue Medikamente, Impfstoffe oder Therapien am Menschen – in streng überwachten Studienphasen. Wenn solche Studien im eigenen Land stattfinden, hat das mehrere Vorteile:
Patienten und Patientinnen profitieren frühzeitig von neuen, vielversprechenden Therapien – vor allem in der Krebsmedizin, wo neue Studien manchmal die einzige verbleibende Behandlungsoption sind, oder bei seltenen Erkrankungen, wo eine klinische Studie manchmal die erste Behandlung überhaupt ermöglicht.
Kliniken und Praxen bleiben auf dem neuesten Stand der Forschung, was auch Patienten und Patientinnen zugutekommt, die nicht an einer Studie teilnehmen.
Ein attraktiver Forschungsstandort zieht Forschung an – und mit weiteren Projekten kommen weiteres Wissen und weitere Investitionen ins Land.
Deutschland ist in mehrfacher Hinsicht als Studienstandort interessant: Es hat ein dichtes Netz gut ausgestatteter Kliniken und Praxen sowie eine große, vielfältige Bevölkerung – wichtige Voraussetzungen für aussagekräftige Studien. Tatsächlich fanden in Deutschland noch 2016 die meisten klinischen Studien von Europa statt. Heute liegt die Republik auf Platz 3 – hinter Spanien und Großbritannien. Weltweit ist der Studienstandort Deutschland von Platz 2 (20141) auf Platz 7 abgerutscht.
Hinter diesem Attraktivitätsverlust steckt ein ganzes Set an Gründen:
Lange Genehmigungs- und Vertragsverfahren2: Die Vertragsverhandlungen zwischen Studiensponsoren (die Auftraggeber einer Studie, zum Beispiel ein Pharmaunternehmen) und Studienzentren ziehen sich in Deutschland bis zu 623 Tage hin, zeigt eine repräsentative Umfrage des VfA vom August 2023. In Großbritannien sind es bis zu 134 Tage, in Spanien 111, in Frankreich 76. Ein Grund für lange Vertragsverhandlungen ist unser föderales System mit uneinheitlichen Datenschutzrichtlinien, mehr als 30 Ethikkommissionen und fehlenden Musterklauseln für Verträge.
Zu wenig Personal und Zeit: Klinische Studien sind im Klinik- oder Praxisalltag oft ein Extra und nicht Bestandteil des normalen Arbeitsalltags von Ärzt:innen. Auch die Suche nach einer passenden Studie für einen Patienten oder eine Patientin ist bislang aufwändig und wird nicht vergütet. Eine Vermittlungspauschale könnte das ändern.
Zu wenige Teilnehmende: Viele Menschen wissen hierzulande nicht, dass es solche Studien gibt, wer sie anbietet und wie sie daran teilnehmen können (s. Grafik). Es bräuchte ein zentrales, laienverständliches Studienregister, das leicht zugänglich ist und Kontaktadressen enthält.
Verzögerung durch das Strahlenschutzgesetz: Braucht es ein Röntgenbild oder ein CT für eine Studie, muss das in Deutschland vom Bundesamt für Strahlenschutz genehmigt werden. Auch das verschlingt Zeit, weshalb Deutschland für bestimmte Studien international nicht mehr berücksichtigt wird.
Zu wenige Daten und langsame Digitalisierung: Moderne medizinische Forschung – besonders die personalisierte Medizin – ist auf zuverlässige Daten angewiesen. Noch werden Gesundheitsdaten nicht systematisch erfasst und können kaum für Forschung oder die Entwicklung besserer Therapien genutzt werden.
Fehlendes Zusammenspiel aller Akteure: Ein erfolgreicher Forschungsstandort braucht die gute Verzahnung aller Beteiligten – von Wissenschaft, Industrie, Politik sowie Kliniken und weiteren Prüfzentren. Fehlendes Personal oder schleppende Prozesse an der einen Stelle wirken sich immer aufs Gesamtsystem aus. Es ist wichtig, klinische Forschung als Ökosystem zu verstehen und zu organisieren.
Wie entscheidend die eben genannten Punkte sind, zeigt Spanien, das sich bereits 2006 vorgenommen hatte, zum wettbewerbsfähigsten Standort für klinische Studien in Europa zu werden. Heute liegt es auf Platz 1. In Spanien gilt unter anderem das Prinzip „eine Studie, ein Antrag“: Für eine multizentrische klinische Studie muss nur noch ein Genehmigungsantrag bei den zuständigen Behörden gestellt werden, statt jeweils separat an jede teilnehmende Ethikkommission oder Klinik. Außerdem gibt es Musterverträge und Behörden und Studiensponsoren arbeiten eng zusammen.
Auch Großbritannien (Platz 2 in Europa) hat administrative Hürden abgebaut und klare Ethik- und Regulierungsverfahren geschaffen. Die meisten klinischen Studien pro Einwohner weltweit gibt es in Dänemark. Dort wurde unter anderem eine digitale Plattform zur vereinfachten Suche und Registrierung von Interessent:innen für klinische Studien geschaffen.
Mit dem Medizinforschungsgesetz von 2024 sollen klinische Studien in Deutschland einfacher, schneller und attraktiver werden.
Geplant sind unter anderem:
eine zentrale Koordinierungsstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die Studienanträge bündelt.
eine zentrale spezialisierte Ethikkommission für besonders dringliche oder komplizierte Studien.
die Einführung von Mustervertragsklauseln, um langwierige Vertragsverhandlungen zwischen Kliniken und Pharmaunternehmen zu verkürzen.
All dies soll das Zusammenspiel erleichtern und Deutschland wieder eine führende Rolle in der Erforschung neuer Medikamente und Therapien verschaffen.
https://www.houseofpharma.de/fileadmin/user_upload/dokumente/Expertentreffen_MFG/Statement-Expertentreffen-2024_MFG_converted_v4_Ansicht.pdf. Letzter Zugriff: 16.06.2025.
Quellen für die folgenden Punkte: https://www.vfa.de/de/forschung-entwicklung/klinische-studien/was-den-studienstandort-deutschland-bremst. Letzter Zugriff: 16.06.2025.
https://www.vfa.de/de/forschung-entwicklung/forschungsstandort-deutschland/vfa-kearney-der-pharma-innovationsstandort-deutschland-braucht-trendumkehr. Letzter Zugriff: 16.06.2025.
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We've implemented an unprecedented, comprehensive preparedness plan to control our site operations. Here's the latest.
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